Lange Zeit galten kontrollierte Experimente in der Ökonomik als unnötig, unmöglich oder impraktikabel. Dieser Umstand wurde oft sogar als ein kennzeichnendes Merkmal betont, welches die Abgrenzung der Ökonomik und anderen Sozialwissenschaften von den Naturwissenschaften markiert. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich jedoch die experimentelle Forschung in den Wirtschaftswissenschaften dynamisch und produktiv entwickelt. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde dies zuletzt durch die aktuelle Verleihung des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften an zwei experimentelle Forscher nahe gebracht.
Dieses Jahrbuch gibt einen Einblick in die aktuellen Fragestellungen und Ergebnisse experimenteller Ökonomik. Im Zentrum dieses Bandes stehen Laborexperimente von Ökonomen. Daneben werden auch Internet- und Feldexperimente sowie Arbeiten aus der experimentellen Psychologie vorgestellt. Viele dieser Arbeiten beleuchten direkt die Funktionsweise ökonomischer Institutionen: Märkte, insbesondere Arbeitsmärkte, Verträge, Unternehmungen, Eigentumsformen und Netzwerke. In einigen Aufsätzen werden methodologische Grundfragen etwa im Hinblick auf den Status des homo oeconomicus und auf die Auswahl von Verhaltensannahmen wie etwa der begrenzten Rationalität, von selbstzentrierter Zweckrationalität, von Ungleichheitsaversion oder von Reziprozität als eine Ausprägung von Fairness diskutiert. Es werden sowohl den Experimenten immanente Probleme als auch der Beitrag von Experimenten zu den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften insgesamt kritisch reflektiert. In ihrer Gesamtheit tragen die hier versammelten Aufsätze somit zu einer Einordnung der Experimente in den Gesamtprozess sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnis und deren Weiterentwicklung bei.