Werk und Wirken von Günter Grass - heute weltweit hoch geschätzt - waren stets heftig umstritten. Noch 1995 verriss der Literaturpapst Reich-Ranicki den die deutsche Einheit thematisierenden Roman "Ein weites Feld".
Scharfe Kritiker, wenn auch anderer Art, fanden sich bereits 34 Jahre zuvor auf dem V. Schriftstellerkongress der DDR (1961). "Geben Sie den Schriftstellern die Freiheit des Wortes!" hatte Grass gefordert. Dieser Ausspruch musste den Kulturfunktionären wie eine unverzeihliche Provokation erscheinen. Von "Hofnarrentum" und dem "Hasadeur" Grass, "dem Frieden und Verständigung, Demokratie und Freiheit nicht mehr als Jetons sind, seinen Gewinn zu machen", war in einer Publikation über westdeutsche Literatur 1970 die Rede.
Kein Wunder, dass die Bücher dieses literarischen und politischen Störenfrieds im Leseland nicht verlegt werden durften. Erst in den achtziger Jahren, als Grass zusammen mit Stephan Hermlin die Begegnung deutscher Schriftsteller aus Ost und West zur Friedensförderung initiiert hatte, erschienen zögerlich seine ersten Schriften. 1997 machte Volker Braun bei der Ankündigung der "Rede über den Standort" darauf aufmerksam, dass der "strenge Kritiker des 'allumfassenden Systems' der DDR" "im Moment des Untergangs zum Anwalt des Ostens" geworden war.
Der Literaturwissenschaftler Klaus Pezold skizziert die widersprüchliche Aufnahme des unbequemen Literaten in der DDR und nach 1990 in den neuen Bundesländern. Differenziert wertet er die unterschiedlichen Stimmen, von den Kulturfunktionären und Literaturkritikern über die Verleger bis zu den Schriftstellern. Detailliert vollzieht Pezold die langwierige kritische Annäherung und ästhetische Auseinandersetzung nach und dokumentiert diesen Prozess, an dem er selbst beteiligt war, mit einer gelungenen Auswahl brisanter Texte.
Vorwort von Daniela Dahn, Texte von Hans Mayer, Stephan Hermlin, Johannes Bobrowoski, Volker Braun und anderen