Alle mit einem Gedächtnis ausgestatteten Lebewesen vergessen! Beim Menschen reicht der Bogen des Vergessens weit über die Biologie hinaus, umfasst Gemeinschaften jeder Art - kulturelle, sozioökonomische, politische, religiöse, ethnische - und spielt zunehmend eine wichtigere Rolle in der Informatik und bei Debatten um künstliche Intelligenz. In Gegensatz dazu steht die immer noch verbreitete Skepsis gegenüber dem Vergessen. In der westlichen Erinnerungskultur wird das Vergessens oft verbunden mit politischem Kalkül, Krankheit, Unaufmerksamkeit oder ethisch-moralischer Nachlässigkeit.
Der Fokus dieses Bandes richtet sich auf die Potentiale des Vergessens - bei gleichzeitiger Respektierung der Notwendigkeit des Erinnerns. Die hier versammelten Texte konzentrieren sich auf Arbeitsfelder, in denen das Vergessen kontrovers diskutiert wird und erörtern gleichzeitig Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Vergessensmechanismen - und -strategien.
Darin liegt die Chance das Nachdenken über das Vergessen aus den Fachdiskursen herauszulösen, um seine Potenziale erfahrbarer zu machen und eine öffentlichere Auseinandersetzung zu fördern.