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Das Walddorf Siehdichum ist die letzte Station der Reichsarbeitsdiensteinheit 3/401 XL Warthegau Ost. Es sind rasch einberufene Sechzehnjährige, die am 26. Januar 1945 von der russischen Sturmspitze überrollt und nach authentischen Berichten "vollkommen aufgerieben" werden. Den Ortsnamen Siehdichum versteht die 75jährige Martha Lenders, Schwester eines dieser spurlos verschwundenen Jungen, auch als Aufforderung, sich am Ende ihres Lebens wie auf dem Gipfel eines Berges umzusehen und die Rollen, die ihr das Leben als Frau und Mutter zugedacht hat, zu hinterfragen. Sie befindet sich im Jahr 2000 auf Spurensuche in Polen, wo Häuser, Straßen und Lebensart ihrem sächsischen Zuhause, wie sie es mit dem Bruder erlebt hat, verblüffend ähneln. Ein Professor für Geschichte aus Warschau und ein Filmemacher aus Posen werden zu Helfern. Sie lässt ihren Rückflug nach Deutschland verfallen, durchstreift mit einer polnischen Studentin die großen Wälder, findet dank sehr besonderer Zeitzeugenberichte einzelne Punkte, an denen sich Dramatisches abgespielt hat, aber der letztmögliche Ort, an dem ihr Bruder sein Leben verloren haben könnte, hält sich vor ihnen verborgen. Zurückgekehrt ins Rheinland, in dem sie seit Kriegsende lebt, bleibt für die suchende Schwester die Spur des Bruders verwischt. Die polnische Studentin bringt unerwartet neue Nachricht. Martha muss sich nun das Ende ihres Bruders noch genauer und grausamer ausdenken als bisher und streikt vor dieser Aufforderung ...
"Ein wunderbares Buch, das schreckliche Vergangenheit mit Gegenwart verknüpft. Ein wunderbares Buch auch vom Altwerden, vom Altsein. Martha ist am Ende glücklich. Und sie hätte so viel Grund zu klagen. Sie ist von Schmerzen geplagt, kann kaum gehen, ihre Kraft ist begrenzt und sie hat noch so viel vor. Sie ist glücklich einen Freund in Polen zu haben, der ihr Handeln versteht. Eine Geschichte ohne Sentimentalität, denn Martha ist hellhörig und selbstkritisch. Sie hinterfragt ihr Tun ständig, legt sich selbst Rechenschaft über ihre wirklichen Intentionen ab. Sie durchschaut sich und mag es oft nicht wahrhaben.Eine dichte Atmosphäre umfängt den Leser, Vergangenheit und Gegenwart vermischen sich, Einsamkeit und Hoffnung ergreifen ihn. Man liest eigentlich nicht, man wird hineingezogen und lebt mit."[Quelle: Dorothee Pfennig, E&W Niedersachsen] "Anne Dorn hat Siehdichum nicht nur stellvertretend für ihren kleinen Bruder geschrieben. Ihr gelingt es auch für all die Menschen zu schreiben, die durch Krieg, Flucht und Vertreibung ihre innere Heimat und ihre Sicherheit verloren haben. Sie reflektiert bewegend und in einfacher, klarer Sprache über Verlust, über Schuld, Schmerz und Trauer, und es ist trotzdem ein versöhnliches Buch geworden."[Quelle: WDR5]"So spielen die Themen Schuld und Verdrängung ebenso wie Wiedergutmachung eine zentrale Rolle in diesem eindringlichen Roman. Und so überschneiden sich historische Fakten und persönliche Erinnerungen, Vergangenheit verbindet sich mit Gegenwart und mit Zukunft. Die Reise nach dem verlorenen Bruder wird zu einer Reise zu sich selbst. Auch wenn am Ende alles in der Schwebe bleibt - der Weg, auf dem Martha Lenders sich etwa mit einem polnischen Filmemacher und einer Germanistikstudentin anfreundet, war das Ziel. Diese Reise geht der Leser gerne mit - Anne Dorn hat eine wundervolle poetische Sprache gefunden. Die Beschreibung der polnischen Landschaft, die Eigenwilligkeit der Menschen, denen Martha begegnet, gehören zum Schönsten in diesem Roman. Gleichzeitig ist dieses sinnlich und nachdenklich erzählte Buch der gelungene Versuch einer deutsch-polnischen Verständigung."[Quelle: Günter Nawe, KÖLNISCHE RUNDSCHAU]"Wie authentisch diese Prosa immer sein mag - es handelt sich um ein großartiges Stück Literatur. Dargeboten in einem gekonnt gebrochenen Erzählen: In die Geschichte der Suche sind Zeitzeugenberichte aus jenen Kriegstagen eingeschoben, Gedichte polnischer Lyriker