In der pädagogischen Diskussion wurden Bildung und Lebenspraxis immer wieder unterschiedlich bewertet und ausgelegt. So haben Kritiker auf der einen Seite den mangelnden Lebensbezug einer Bildung herausgestellt, die sich in Schulen und anderen Lernorten institutionalisiert und damit künstliche Räume fern der Alltagswirklichkeit schafft, welche einzig zum Zweck der Belehrung eingerichtet wurden. Auf der anderen Seite ist die Lebenspraxis den Pädagogen suspekt, wenn sie den Menschen zum Besseren hin erziehen wollen und auf diesem Wege bestimmte Ideen und Ideale im Blick haben, welche die Abwendung vom alltäglichen Leben erzwingen. Die vorliegenden Studien konzentrieren sich um diese Frage nach den Differenzen, vor allem aber um die Frage nach der möglichen Komplementarität von Bildung und Lebenspraxis. Im Hinblick auf die Verlusterfahrungen der Moderne ist mit diesem anthropologischen Ansatz sowohl ein zeitkritischer als auch kompensatorischer Anspruch verbunden, insofern als Deformationen der Bildung und der Lebenspraxis, aber auch deren Möglichkeiten beschrieben werden. Da es dabei nicht nur um das gebildete, kompetente oder perfekte, sondern im Sinne der klassischen Ethik um das gute Leben und damit um das Glück geht, spiegelt sich hier ein Grundproblem der Bildungstheorie wider, das angesichts der gegenwärtigen Reformierungen und Umstrukturierungen nichts an seiner Bedeutung verloren hat.