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Paula Modersohn-Beckers revolutionäre Selbstbildnisse im Akt gehören im frühen 20. Jahrhundert zu den ersten Beispielen einer Bildgattung, die bis dahin als Rarität in der Kunstgeschichte gilt. Die Quellen für das innovative Aktverständnis der Künstlerin sind in der Lebensreform- und Nacktkulturbewegung zu finden: Bei Licht- und Luftbad, Freiluftgymnastik und rituell zelebrierten Nackttänzen entwickelte die Künstlerin einen unmittelbaren Zugang zu eigenem Körperleben und einem damit verbundenen neuen Subjektverständnis, das in Ihren Selbstakten Ausdruck findet.
Am Beispiel Modersohn-Beckers konkretisiert sich die geistesgeschichtliche Disposition einer ganzen Epoche, die sich vom befreiten Leib als Symbol des neuen Lebensideals das kreative Potential für eine innovative Aktkunst erhoffte. In der vehementen Ablehnung des traditionellen Aktstudiums zugunsten des Nackten im Leben vollzog sich um 1900 ein Paradigmenwechsel, der die Pflege des neuen Körpergefühls als völlig neuartige Begründung des Künstlerischen zur unabdingbaren Voraussetzung bildender Kunst erhob.
Diss. Köln 1994.