Nach 1918 musste sich Deutschland politisch und sozial neu definieren, aber sich
auch als Land, als geographische und kulturelle Einheit neu entdecken. Es setzte ein
Prozess ein, den man mit einem Begriff der Zeit als "Innere Kolonisation" bezeichnen
kann. Zur Kompensation der vielen Verluste machten sich Wissenschaftler und Künstler
daran, jene Dimension, die in Frankreich "la France profonde" heißt, zu erschließen,
das "innere" Deutschland also, seine einzigartige Kulturdichte. Die Ökonomie des
Sparenmüssens wurde zur Überflusswirtschaft der geistigen und materiellen Reichtümer
konvertiert. Die dabei entdeckte neue deutsche Tugend der Vielfalt ließ sich in
Phrasen und Parolen kurz antönen - dieses Buch aber widmet sich all den Texten und
Bildern, die aus einer "Arbeit im Material" (Siegfried Kracauer) entstanden sind,
aus neuer, authentischer Erfahrung und "Nähe der Anschauung" (Ernst Glaeser)
gewonnen wurden.