Reisen nach Rußland waren weder im 19. Jahrhundert noch davor sehr populär. Negative Klischees und Vorurteile, die sich seit Jahrhunderten festgesetzt hatten, ließen sich nur schwer wieder abbauen. Allein Forschungsreisende konnten ein gewisses Interesse an Rußlandreisen für sich beanspruchen. Das bildungshungrige aufstrebende Bürgertum reiste eher in den Süden Europas. Dennoch zog die russische Haupt- und Residenzstadt St. Petersburg, das «Venedig des Nordens», besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Vielzahl von Reisenden an. Die nahezu überschwengliche Begeisterung, die dieser Stadt entgegengebracht wurde, vereinte sowohl Rußlandfreunde als auch Rußlandfeinde. Die Reisenden schenkten nicht nur den zahlreichen Sehenswürdigkeiten ihre Aufmerksamkeit, sondern auch den gesellschaftspolitischen Zuständen in der Stadt, besonders den Lebensbedingungen des einfachen Volkes. Auch wenn die einzelnen Reisebeschreibungen in ihren Darstellungsweisen stark voneinander abweichen, geben sie wertvolle Hinweise, die über die reine Stadtbeschreibung weit hinausgehen.