Peter Gülke zeichnet das Bild des »anderen« Mendelssohn Bartholdy in einer Zeit voller Widersprüche: Nicht der umjubelte, selbstsichere Mendelssohn wird hier portraitiert, sondern derjenige, der seine existenziellen Nöte und Zweifel weniger in Worten als in Partituren ausspricht. Er bringt ihn uns als jemanden nahe, der als konvertierter Jude eine verwundbare Identität mit sich herumträgt, der bereits unter dem uns so vertrauten Fluch jener Beschleunigung des Lebens litt, die Goethe »veloziferisch« nannte, der in seiner geistlichen Musik die Scheidung von weltlich und geistlich immer wieder unterläuft und eine weit gespannte Frömmigkeit praktiziert. Dieses und anderes kann man in Gülkes mit unnachahmlicher Sprachkraft verfassten Werkbetrachtungen nachvollziehen. Sie legen im Notentext jene menschlichen Erfahrungen und Ideen frei, die bewegend sind für alle Hörer dieser faszinierenden Musik.