Mit dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 begannen marxistische Theoretiker aus den kommunistischen Parteien des Westens, sich immer stärker vom Dogmatismus der Stalin-Zeit zu lösen. Zu ihnen gehörte in Frankreich der führende kommunistische Theoretiker Roger Garaudy, Professor für Philosophie und Mitglied des Politbüros der KPF. Der Autor, der sich von früheren Werken distanzierte, vor allem von seiner Arbeit über die materialistische Erkenntnistheorie, wollte mit seiner Schrift «Marxismus im 20. Jahrhundert» die Diskussion über den Marxismus neu beleben, eine Diskussion, die angesichts der in seinem Jahrhundert erreichten qualitativen Veränderungen und Fortschritte notwendig geworden war. Garaudy wollte die Offenheit der marxistischen Philosophie wiederherstellen: so wie der Marxismus Elemente des deutschen Idealismus von Kant, Fichte und Hegel aufgenommen und verwertet hatte, sollte er auch alle Ergebnisse der zeitgenössischen Wissenschaft, namentlich der Kybernetik, der Informationstheorie und der modernen Physik, prüfen und sich mit den politischen, moralischen, religiösen und künstlerischen Aspekten des neuen Denkens auseinandersetzen. Aufsehenerregend waren vor allem Garaudys positive Neueinschätzung der Mythen und Religionen, besonders des Christentums, aus der sich ein neues Verhältnis zwischen Kommunisten und Christen ergab, und der Entwurf einer modernen marxistischen Kunsttheorie, die mit den dogmatischen Auffassungen des sozialistischen Realismus brach. Neu war auch der Rückgriff auf Fichte bei der Erarbeitung einer marxistischen Moral, in der die subjektive Initiative und Verantwortung wieder zu ihrem vollen Recht kam.