1954 erschien in der französischen Zeitschrift Les Lettres Nouvelles der erste einer Reihe kurzer Texte, in denen sich der damals nur in akademischen Zirkeln bekannte Roland Barthes mit den Elementen des französischen Alltags auseinandersetzte: etwa mit der Tour de France, dem Citroën, dem Guide bleu, dem Beefsteak. 1957 versammelte er diese analytischen Kunststücke, angereichert durch einen Anhang mit dem Titel Der Mythos heute, in dem Buch Mythologies. Der Band begründete Roland Barthes' Ruf als führenden strukturalistischen Denker und brillanten Interpreten der Welt der Zeichen.
1964 erschien in der edition suhrkamp unter dem Titel Mythen des Alltags eine knappe Auswahl des Originals. Ab diesem Zeitpunkt datiert Roland Barthes' außerordentlicher Einfluß auf die Geistes- und Sozialwissenschaften auch in Deutschland.
Die hier erstmals vorliegende vollständige Übersetzung - die gegenüber der ersten Ausgabe um mehr als zwei Drittel erweitert ist - zeigt die strukturalistische Aktivität Roland Barthes' auf ihrem Höhepunkt. Er macht deutlich, daß der von uns als natürlich erlebte Alltag aus nichts anderem als einem interessengehorchenden und zugleich willkürlichen System besteht, das durch die Analyse seiner Zeichen seiner Selbstverständlichkeit entkleidet und für Veränderungen offen gemacht werden kann.
»Aber auch dort, wo die beschriebenen Phänomene längst historisch geworden sind oder ihre Kritik mittlerweile zum Konsens gehört, ist die Lektüre des Buches ein Gewinn. Denn nicht weniger entscheidend als die konkreten Antworten, die Barthes gibt, ist die Art seines Vorgehens selbst. Das Buch erprobt eine Befragung des Alltäglichen, deren Prinzipien auf die Gegenwart übertragbar sind.«