Die Abstinenzbewegung um 1900 ist als Volksbewegung durchaus mit der Basler Anti-AKW-Bewegung zu vergleichen und erfasste sämtliche Bevölkerungsschichten. 1918 waren mindestens 7% der Basler Bevölkerung und jedes 5. Schulkind Mitglied eines Abstinenzvereins. Oft unterstützten die Basler Massnahmen gegen den Alkoholismus, die in der übrigen Schweiz abgelehnt wurden.
Die beiden Autoren beschreiben auf spannende Weise einen wichtigen Aspekt der Basler Sozialgeschichte, der bis jetzt nicht erforscht wurde. Der Alkohol und das Wirtshaus spielten in beiden Basel oft eine zwiespältige Rolle. Denn das Wirthaus erfüllte verschiedene Aufgaben: Es diente zur Verpflegung, bot Gemeinschaft und Unterhaltung. Für viele war es das eigentliche Zuhause, die wärmende Wohnstube. Im Buch findet man indessen die verschiedenen Gesichter des Alkohols. Damit verbunden ist auch das Dilemma der Behörden, die den Exzess und das Elend bekämpfen wollen, ohne dem Bürger die Freude zu verderben.
Das Engagement für eine abstinente Lebensweise war auch sehr phantasievoll. Die Abstinenten forderten vom Bund während des Ersten Weltkriegs zusätzliche Zuckerrationen, weil sie keinen zu Alkohol vergorenen Zucker konsumierten. Einzelne Gruppen engagierten sich für Alkoholabhängige, andere wandten sich an die gesamte Bevölkerung oder speziell an Kinder und Jugendliche. Zur so genannten 'Abstinenzarbeit' gehörten Überzeugungsarbeit, das persönliche Beispiel, alkoholfreie Gaststätten, die alkoholfreie Verwertung von Obst und anderen Lebensmitteln, Aufklärung in den Schulen, Öffentlichkeitsarbeit oder politische Vorstösse zur Senkung des Alkoholkonsums.
Das Buch vermittelt also die vielen Gesichter des Alkoholkonsums und die Reaktionen darauf. Es setzt erste Leitplanken und soll dazu anregen, sich vermehrt mit Alkoholismus und Abstinenz zu beschäftigen.